16.Tag Seligenstadt – ein Tag in der Heimat
Heute ist Premiere: diesen letzten „Nicht“-Reisetag gab es in den letzten 20 Jahren nicht. Aber auch wenn wir schon angekommen sind, gibt es etwas zu berichten.
Gestern gab es den großen Abschied auf dem alten Jahn-Sportplatz. Turnvater Jahn hätte uns zu Lebzeiten selbst empfangen können (*11.08.1778, +15.10.1852). Zu seiner Zeit gingen die Kaufmannszüge noch. Insofern war es der richtige Ort für unsere letzte Etappe. Danke, dass das geklappt hat, an wen auch immer.
Mein letzter Tag beginnt etwas verkatert, ich weiß auch nicht warum. Passt irgendwie zu einer leicht gedrückten Stimmung, denn heute ist es definitiv vorbei mit der Zuggemeinschaft. Es heißt Abschied nehmen. Der Tag ist für mich geprägt von einer Mischung aus Wehmut und Dankbarkeit. Ich vermisse jetzt schon mein Leben im Tiny-House von Martin und mir.
Ich bin früh wach. Meine Gedanken kreisen um alles erlebte: Begegnungen, Gespräche, Schweigen, Arbeiten, Helfen und geholfen werden, Feiern, Freude, Trauer, Singen, Lagerfeuer, Gemeinsamkeit und Einsamkeit.
Und ein Ereignis kommt mir wieder in den Sinn, welches ich noch schnell teilen möchte (Anmerkung: wem das zu kitschig wird, der springt einfach zum nächsten Absatz und liest dort weiter):
Auf der Strecke nach Eichenbühl kommen wir durch einen Ort, dessen Namen habe ich sofort wieder vergessen habe. Seit einer Stunde zieht südlich von uns ein Gewitter neben uns her (am nächsten Tag konnten wir in der Presse nachlesen, welche Mengen Wasser und Hagel dort runterkamen). In diesem namenlosen Ort kommt eine alte Dame an den Zug und wünscht uns eine gute Reise, wie es viele Menschen tun, denen wir begegnen. Dann kommt sie einen Schritt näher zu mir, nimmt meine
Hand, drückt sie feste und sagt: „Ich habe für euch eine Wallfahrtskerze aus Walldürn angezündet, damit ihr alle sicher nach Hause kommt“. Ich bin so gerührt, dass ich nur kurz danke sagen kann – und mir tritt eine Träne ins Auge.
Sorry, ich schweife ab, eigentlich will ich doch nur kurz den letzten Tag wiedergeben. Daher: immer schön der Reihe nach!
Es ist also früher Morgen, ich bin verkatert und der letzte Tag beginnt, da war ich eben stehen geblieben.
Das Küchenteam ist wieder voll in Fahrt und beköstigt schon ab 07:00 Uhr die ca. 100 Gäste und Teilnehmer, die trotz Wohnung, Haus, Familie und Freunden lieber in der Zuggemeinschaft frühstücken wollen. Ich kann es verstehen! Also: „Guten Morgen, liebes Küchenteam“ und ran ans Frühstück. Die Uhr wandert unaufhaltsam auf 09.30 Uhr zu – die Basilika kündigt es laut und deutlich an. Die ersten Fuhrleute packen zusammen. Abschied, Danke, Drücken und das Versprechen beim nächsten Mal wieder dabei zu sein. Die Uhr dreht sich weiter und unaufhaltsam nähert sich der vorläufig letzte Auftritt von Gatter-Gerd. Support-Besprechung 10:00 Uhr – pünktlich!
Die Aufgaben werden verteilt und als Devise gilt: 12:00 Uhr fertig werden. Ungläubig schaue ich die anderen an: „das schaffen wir nie“ – und ich behalte Recht.
Um 10:57 Uhr sind alle Gatter verladen, der Mist wird geräumt. Nebenbei macht Annette mit dem Küchenteam den Bäckerwagen fertig und räumt den Küchenbereich. Das Zelt-Team wühlt auch schon vor sich hin.
Nachdem sich nun alle Fuhrleute und die letzten Mitläufer verabschiedet haben (ja, same procedure: Abschied, Danke, Drücken und das Versprechen beim nächsten Mal wieder dabei zu sein) wird der restliche Kutschenfuhrpark per Traktor überführt und die verbleibende Ausstattung auf die Fahrzeuge verladen.
Um Punkt 12:07 Uhr ist alles weg und der Platz ist leer. Nicht ganz, denn das
Team F, unsere Feuerwehr, ist noch dran und verlädt den Rest der Party.
Danke, Jungs und Frauen der Feuerwehr! Ihr habt einen tollen Job für uns und alle Gäste gemacht.
Hoffentlich können wir uns revanchieren.
Mit den letzten Fahrzeugen geht es zur Heimatbundhalle bzw. zu Peter an die Halle und es wird alles ausgeladen. Das Kernteam hat die nächsten Tage noch viel zu sortieren. Ich leide mit euch!
Und dann Tschüss und nach Hause (ja, same procedure auch bei uns: Abschied, Danke, Drücken und das Versprechen beim nächsten Mal wieder dabei zu sein).
Was mir jetzt noch bleibt ist danke zu sagen, an alle, die es verdient haben – nicht zu vergessen:
Hans und Nora – unsere Zugpferde.
Und namentlich an Peter und das Planungsteam, dem Küchenteam, dem Zelt-Team, den Fuhrleuten und vor allem dem Support-Team unter der Leitung von Gatter-Gerd:
Lieber Gerd, Du hast einen grandiosen Job gemacht und dein Team mit Empathie, Klarheit, Fachkompetenz, Ansage, Lob und Tadel, Geduld und Wertschätzung auf Augenhöhe erfolgreich ins Ziel geführt.
Und jetzt nehme ich meine unfassbaren Eindrücke in Dankbarkeit mit nach Hause und lasse euch, liebe Leserschaft, allein mit all den Worten und freue mich darauf, euch in vier Jahren wieder etwas berichten zu dürfen.
Herzliche Kaufmannsgrüße und ein letztes „Jubel“ aus dem Kaufmannszug.
Norbert Dautzenberg