Tagesbericht 05.06.2023

10. Tag
Etappe von Aub nach Unterwittighausen

Bis zur Mittagsrast in Stalldorf lief es eigentlich ganz geschmeidig. Die Pferde hatten ihren Trott und wir als Fußvolk konnten mithalten. 8 Jahre ist es jetzt her, dass wir als kleine Familie am letzten Kaufmannszug teilnahmen. Und in der Erinnerung verblassen vielen Dinge, man kann sich meist nur an die schönen Momente eines Ereignisses erinnern, von denen es bei einem Kaufmannszugserlebnis sicher eine Menge gibt. Allerdings wusste ich noch, dass das Marschieren neben den Wagen wieder anstrengend werden würde. 6 – 8 km pro Stunde klingt erst mal nicht viel, aber ist für die Schrittlänge eines alternden Mitteleuropäers in der Genetik nicht vorgesehen. Aber geschenkt, ich wusste ja, auf was wir uns da einlassen und dann sollte man auch nicht jammern.
Wir sind dieses Mal die zweite Woche dabei und reisten am Samstag mit einem komfortablen Reisebus nach Aub, um uns dann am Sonntag auch gleich wieder ausruhen zu dürfen. Sonntag ist Ruhetag für Mensch und Tier. Nur kurz: Danke an die Auber für den herzlichen Empfang, insbesondere der Stadtkapelle Aub für die Ausrichtung des Festes auf den Spitalwiesen („Daniell, du hast das gesehen, so eine Veranstaltungslocation – das wäre doch eine Klasse-Sache in unserer Stadt – großartig) und Danke an Pastoralreferent Burkard für den wunderbaren Gottesdienst und die
ergreifenden Worte in seiner Predigt. Den Tag in Aub haben wir gut verbracht, es gab wieder jede Menge Blasmusik, gutes Essen und vor allem – gekühlte Getränke. Wie immer, im Rahmen des Kaufmannszugs und mittlerweile auch bei vielen Begegnungen in der Zeit dazwischen: Herzliche Momente unter Freunden.
So, aber nun zurück zum heutigen Tag. Nach zwei eiskalten Nächten mit unzureichender Ausstattung, wie zum Beispiel einem Schlafsack, den mir meine Eltern zum ersten Basilika-Zeltlager im Jahr 1973 gekauft haben und in der ersten Nacht noch fahrlässig ohne Decken, weckten uns um kurz nach fünf dann die Pferde. Es ist so wie bei den Menschen: sobald das erste Pferd gefüttert wird von seinem Kutscher, fangen alle anderen an, gegen die Gatter zu treten und in einen orgiastischen Gewieher-
Chor einzustimmen. Dann ist es natürlich vorbei und Menschen mit einem leichten Schlaf beenden daraufhin ihre Nachtruhe. Aber auch das war bekannt und ich will auch hier nicht jammern. Auf geht’s zur Toilette und zur ersten Körperpflege. Ein Vorteil hat das frühe Aufstehen für alle Teilnehmer: ab 5.30 Uhr gibt’s Kaffee, und zwar richtig Guten. Auf meine Recherche hin wurde mir gesagt, dass in der Morgenstunde bis zum Frühstück mehr als 50 Liter Kaffee gekocht werden. Dies ist nur ein Parameter, der uns zeigt, in welchen Dimensionen hier gedacht und versorgt werden
muss. 200 Menschen, über 40 Pferde müssen essen, trinken, respektive fressen und saufen. Das sind Mengen, die man sich manchmal nur schwer vorstellen kann. Und das oftmals mit einer improvisierenden Logistik. Abgesehen von den 20 Leiterwagen, an denen gefühlt ständig etwas locker wird, etwas abplatzt, geschweißt, geschmiedet, geflext, gesägt und was ich noch alles gemacht werden muss. Ein unfassbar geiles Supportteam, in dem sich die besten Handwerker unserer Stadt zusammenfinden, sorgen mit teilweise schwerem Gerät und handwerklichem Geschick für sofortige
Hilfe. Glücklicherweise sind diese auch noch extrem heimatverbunden und machen das auch noch alle gerne. Vielen Dank auch von mir und sicher auch von allen anderen Teilnehmern. Ihr sorgt dafür, dass wir alle unseren Spaß haben. Natürlich auch an das Küchenteam, die uns sozusagen rund um die Uhr versorgen. Unfassbar, welche Räder hier gedreht werden.
Ich weiß, ich bin schon wieder abgeschweift. Aber man hat hier so viel Zeit zum Nachdenken, hat so viele Eindrücke, die an so einer Tastatur auch unbedingt in dieses Teil reingehämmert werden müssen. Draußen spielen die Unterwittigheimer Musikanten gerade die Polka „Auf der Vogelwiese“, es ist 20.30 Uhr und es hat bestimmt noch 28 Grad auf dem Dorfplatz. Es gab einen herzlichen Empfang, ein Fässchen Bier für uns als Gastgeschenk und als Gegenleistung jede Menge Jubel. Der
Abend, das zeichnet sich schon jetzt ab, wird wieder sehr lange werden.
Ach ja, noch so eine Sache: Ich habe heute Morgen zum ersten Mal ein Pferd gekämmt. Meine unmittelbare Begegnung mit Pferden ( das war in meinem Leben bisher 2 mal) endete auch genau zweimal mit einem Abwurf im Vollgalopp. Sozusagen habe ich heute mein Trauma beigelegt und habe mir vorgenommen, bis zum Ende der Woche auch mal morgens die Hufen auszukratzen. Wenn Nora oder auch Hans, die zuständigen Pferde unseres Wagens von Zugführer Peter und seinen reizenden Beikutscherinnen Anette und Michi sich weiterhin so kollegial verhalten, werde ich auch meine grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Impulsivität von Pferden ablegen.
Die zweite Sache fand ich extrem lustig an der Mittagsrast. Eine rege Diskussion entstand, als es um die Entfernungen ging, die wir zum einen schon zurückgelegt haben und die, die wir noch vor uns haben. Sind wir jetzt schon 10 oder 12 km gelaufen, wie weit ist es noch und zählen die 2 km bis zum Ortsausgang von Aub noch dazu in der Länge der Tagesetappe oder nicht. Man konnte erkennen, dass hier um jeden Meter gefeilscht wird, den man schon gelaufen war oder noch zu laufen hatte.
Auffällig war auch bei unserer Reise durch Metropolen wie Riedenheim, Simmringen oder auch Bütthard, dass man unzählige Madonnenstatuen, überlebensgroße Heiligenbildnisse und Kruzifixe in den Ortschaften am Wegesrand vorfinden konnte. Schön, woanders sind solche Dinge schon lange verschwunden. Ich mag so etwas. Allerdings gab es zwischen Aub und Unterwittighausen auch keinen einzigen Supermarkt. Alleine zwei Bäcker und ein geöffnetes Gasthaus auf rund 25 km Länge.
Trotzdem hat man gerade heute Abend das Gefühl, die Menschen, die hier leben an der alten Kaufmannsroute, leben gerne hier und genießen ihr Leben.
So, jetzt geh ich auch raus, habe endlich Lust auf ein gekühltes Distelhäuser Bier und werde heute Abend noch meinen Fuß mit Schmerzsalbe einreiben müssen. Kaufmannszug ist nichts für Weicheier. Aber macht schon jetzt wahnsinnig viel
Spaß. Ich freue mich auf viele weitere herzliche Gespräche am Tage während des Zugs und auch hernach in geselliger Gemeinschaft. Und natürlich freue ich mich auch auf Samstag, wenn wir in Seligenstadt ankommen werden.
Jubel

Norbert Zabolitzk

4 Gedanken zu „Tagesbericht 05.06.2023

  1. Heike Hildebrandt

    Guten Tag,
    Danke für diesen lebendigen, authentischen Bericht , den ich mit viel Freude gelesen habe,
    ich wünsche weiterhin ein glückliche Reise mit weiteren außergewöhnlichen Eindrücken .
    Grüße aus Mainflingen
    Heike

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  2. Lydia Bach

    Hallo und Guten Morgen!
    Ich habe meinen Mann beim Frühstück den “ Reisebericht “ vorgelesen!
    Ganz toll diese Eindrücke vom Kaufmannszug! Weiterhin gute Reise und ein gesundes Ankommen in Seligenstadt 👍🏻

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  3. Burkard Fleckenstein

    Danke für die schönen Berichte über euren Aufenthalt in Aub.
    Und noch einmal DANKE an alle, die sich bei der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligt haben.
    Hier noch der Link zu dem Video „All that we share“ das Ausgangspunkt meiner Predigt war.
    (Einige von euch hatten danach gefragt)
    https://youtu.be/Zvf-NiFPAuE
    Ich wünsche Euch weiterhin ein gutes Unterwegssein in „Vielfalt und Einheit“ und eine gute Ankunft am Samstag in Seligenstadt.

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  4. Kornelia Veit-Pototzki

    Ich freue mich morgen in obernburg eisenbach auf dem kaufmannszug.gute Reise weiterhin und gutes gelingen.liebe grüsse Kornelia

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