Tag 13 Etappe von Külsheim (Cullesheym) nach Eichenbühl
00:01 Uhr: Hufgeklapper und lautes Wiehern dringt durchs offene Fenster in der Festhalle Külsheim.
Ich schrecke aus dem Schlafsack auf: Geht es schon weiter? Hatte ich was verpasst? Als Neuling beim Kaufmannszug gibt es viel zu lernen und die Gelegenheit für ungeahnte neue Erfahrungen und auch Grenzerfahrungen ist vielfältig! Nein, das war kein Zeichen zum verpassten Aufbruch, sondern ein ganz besonderer Moment: Ann-Kathrin und Desperado hatten am 08. Juni Geburtstag und der wird pünktlich mit standesgemäßem
Einzug zu Pferd – also Ann-Kathrin auf Desperado – gefeiert. Die Melodien von
Geburtstagsständchen dringen durch das Fenster in die Schlafkammern in der Festhalle Külsheim, wo wir unsere luxuriöse Lagestätte errichtet haben. Wieder mal zu früh im Bett, aber die zurückgelegten Kilometer und Bier und Wein fordern ihren Tribut, wenn man nicht mehr zur Jugend zählt. Dieselbe sollte noch lange nach Mitternacht auf dem Festplatz zwischen Schloss und Kirche um ein Lagerfeuer versammelt ihren eigenen gesanglichen Beiträgen zur wiedermal wunderschönen lauen Sommernacht vortragen. Wunderschöne laute Stimmen von draußen vermischen sich mit erheblichen noch lauteren Schnarchgeräuschen in unserem Lageraum. Eine weitere Erkenntnis: Ohropax taugen nichts, eine reine Fehlinvestition!
Hätte ich besser noch zwei Bier oder Wein getrunken. Das wäre vielleicht
schlafförderlich gewesen. Aber egal, wir sind auf dem KMZ 2023 dabei und das allein zählt.
Irgendwie kamen im Morgengrauen doch noch ein paar Momente Schlaf zusammen bis zur Aufstehen gegen 6.30 Uhr, dann hieß die ermahnende Ansage von Frank: Frühstück von 7:00 bis 08:30 Uhr – wer zu spät kommt, guckt in die leere Auslage. Halte ich aber für ein Gerücht, denn das fantastisch fürsorgliche Küchenteam lässt keine Wünsche offen und keine Mägen ungefüllt. Ein großer Dank an dieser Stelle: Kein 4-Sterne-Hotel-Buffet hätte anderes zu bieten. Und wieder war das Küchenteam noch vor allen anderen fleißig, damit die Fuhrleute ihren Kaffee bekommen können, während sie sich um ihre Pferde kümmern. Ein weiterer großer Dank: Kutscher und Pferde: ihr seid die tragende und gestaltende Basis für das Bild als Kaufmannszug, wie er vom jubelnden Volk an der Straße wahrgenommen wird.
Ein besonderer Dank an Toni und Walter, die Fuhrleute „unserer“ Kutsche, die immer freundlich und geduldig all unsere laienhaften Fragen beantworteten und auch den Pferden Fanni und Desperado, die mit ihren 2 PS und ca. 1600 Kilo, Kutsche und bis zu 8 Personen über die Wege und Straßen ziehen, sei gedankt. Was für eine Leistung!
Es ist Fronleichnam und zu früher Stunde hatten Külsheimer Frauen den Weg der Prozession mit Blumenbildern geschmückt. Um 9 Uhr beginnt der Gottesdienst im Freien auf dem Festplatz.
Allen Gerüchten von Gewittern und Regenschauern zum Trotz erstrahlt über uns ein blauer Himmel – und auch schon eine brütend heiße Sonne. Etliche KMZ-Teilnehmer schließen sich der Prozession durch die Straßen Külsheim an, um sich dann gegen 11 Uhr wieder mit den anderen zu vereinen.
Diese lagen teilweise noch in den Schlafsäcken, teilweise wurde aber schon gepackt. Und draußen bei den Wägen wurde fleißig repariert; Bremsklötze ersetzt, Räder aufbereitet. Ab 11:15 Uhr gab es Mittagessen im Innenhof des Külsheimer Schlosses; mit Gutscheinen vom KMZ-Orga-Team! JUBEL!
Hirsebrei und Grünkern, neue Gerichte für die Külsheimer. Extra für uns, so war zu erfahren, hatten sich die Külsheimer in weiser Voraussicht eine Alternative zur sonst üblichen Grillwurst ausgedacht.
Dann steigt wieder die Spannung: Obwohl nun schon viermal erlebt, ist die Atmosphäre bei dem Aufbruch ganz besonders! Alles läuft wie geschmiert… Wurde nichts vergessen? Alles am richtigen Platz? Noch mal aufs Klo gegangen? Als Teilnehmer staunt man immer wieder über die Perfektion, mit der die Pferde eingeschirrt werden, so viele Leinen, Schnallen, Schnüre… Aber auch die Pferde
spüren die Spannung: es wird gewiehert und die Köpfe nach oben geschmissen und sie zappeln wie Kinder in ihren Geschirren. Dann 13 Uhr – schlag pünktlich wie immer macht sich der KMZ unter dem Jubel der Zuschauer aus Külsheim auf den Weg. Raus aus Külsheim mit seinen Brunnen, dem Schloss mit seinem Turm auf dem unserer Trommler am Abend zuvor noch ein extra Ständchen dargebracht hatten und dann Tschüss zu der luxuriösen Unterbringung in der Külsheimer Festhalle.
Danke an die Külsheimer – wir werden sicher zu eurem „historischen Spektakulum“ im Mai 2024 wiederkommen!
Raus ging es aus der Stadt und schnell kamen wir wieder ins Grüne mit Getreidefeldern, Wiesen, Wäldern und Sonne und Hitze und Schweiß.
Erster Halt bei Hundsheim. Kleine Verschnaufpause für die Pferde und Menschen. Dann weiter am Birkhof vorbei und durch Tiegfenthal Richtung Neunkirchen. Entgegen der ersten Tage wurden weniger Fotos vom Zug gemacht. Dafür steigt die Stimmung bei den Wagenleuten, die sich auf der noch ebenen Wegstrecke von den tapferen Pferden ziehen lassen. Gerüchte über den steilen Abstieg
nach Eichenbühl, werden ausgetauscht, auch ängstliche Blicke in den Himmel, denn Gewitterwolken tauchen nun doch tatsächlich auf.
Bei einer Wiese vor der höllischen Abfahrt wird Halt gemacht. Regenponchos werden übergezogen und Angstpipi in Wiesen und Büsche entsorgt. Bei unserer Toni-Kutsche werden dicke Seile angebunden und links und rechts mit je vier Leuten bestückt, die als Bremser bei den steilen Stellen, Kutsche und Pferde entlasten sollen. Dann geht es weiter, bald stellen wir fest, dass die
Regenponchos unnötig waren, denn die angekündigten Gewitter zogen an uns vorbei. Hinter dem Mautturm dann Halt zum Aufrödeln, Fahnenschwenker, Trommler und Soldaten nehmen Aufstellung.
Dann geht’s das steile Stück des Weges hinab und hinein nach Eichenbühl. (Warum erinnert mich die Ortsbezeichnung an das Auenland im Herr der Ringe…)
Wieder ein Wahnsinns-Empfang: Die Straßen gesäumt mit Eichenbühlern bis hin zum Rathaus, wo der Schultheis Günther Winkler den KMZ gebührend und rhetorisch korrekt empfängt. Heute ohne Stapelrecht, teilt sich der KMZ in diejenigen, die sofort zum Feiern übergehen und denen, die Wagen und Pferde begleiten und weiterziehen zum heutigen Nachtquartier in der Reithalle des Reit- und Fahrverein Eichenbühl.
Alles strömt in die Halle zum heutigen Nachtquartier, Pferde und Kutschen werden versorgt. Und dann kommt doch noch das angekündigte Gewitter. Keine Chance, nochmal den Weg zum Festbetrieb in Eichenbühl zu laufen. Die weniger Dagebliebenen versammeln sich unterm Dach und – bestellen
Pizza….
Für alle anderen Zugteilnehmer gab es am Festbetrieb kostenfrei Fisch von unserem Seligenstädter Forellen Burkard. An dieser Stelle in herzliches Dankeschön!
Die Nacht in der Reithalle: zum widerholten Male eine Grenzerfahrung für Menschen mit leichtem Schlaf. Evolutionsbedingt heißt es, sollen Männer schnarchen, um ihre Frauen und Kinder vor wilden
Tieren zu schützen…. Das gelingt hier mit besonderem Nachdruck: jedes Wildschwein im Umkreis von 3 km nimmt sicherlich Reißaus. Ich halte es nicht aus und folge Markus 2:12 Uhr: „ Er nahm sein Bett und ging hinaus…“ Herrliche Stille in freier Natur…
Was für ein Erlebnis, was für eine Gemeinschaft, was für eine geniale Organisation!
Unglaublich, diese persönliche Hilfsbereitschaft untereinander!!
KMZ: JUBEL
Klaus Junkes-Kirchen