07.06.2015

Kaufmannszug 2015 Augsburg – Seligenstadt 
Sonntag, 07.06.2015, Allmannshofen (Gut Schwaighof) – Harburg

“ Noch e gud halb Stund“

Aufgewacht bin ich um halb Sechs. Es war die berühmte Ruhe nach dem Sturm. Man hörte das Vögelzwitschern,  das Schnaufen und das Wiehern der Pferde. In der Nacht hat es orkanartige  Böen über den Platz geschickt, es hat geregnet was vom Himmel kommen konnte und man wurde sozusagen getauft für das „Abenteuer Kaufmannszug“.  Einige Zelte im vorderen Bereich waren unter Wasser, was u.a. zur Folge hatte, dass Michael „Mille“ Millitzer seine Schlafmaske nicht an die Steckdose anschließen wollte aus Angst vor Kurzschlüssen im Gesichtsbereich. Er lebt noch, das ist wichtig, allerdings hatten die Bewohner der ersten Zelte zusätzlich zu  dem Sturm , dem prasselnden Regen, noch  den Rest der Nacht mit Milles Schnarchen umzugehen. Doch zunächst: bei der letzten  Vorbesprechung in der Heimatbundhalle Anfang Mai wurde gefragt, wer denn mal bereit wäre, einen Tagesbericht zu verfassen. Ich wieder vorne dabei. Ich dachte mir, vielleicht gar nicht uninteressant, wenn ein Anfänger, ein Kaufmanns-Greenhorn, die Sache mal beleuchtet. Wir sind als kleine Familie dabei. Frau,  6-jähriger Sohn und ich. Beide habe ich, ohne deren Wissen (und Einverständnis)  vor über einem Jahr angemeldet und im Vorfeld einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen.  Nur so viel: nach einem halben Tag sind beide über Maßen begeistert.  Atmosphäre, die Gruppe, die Organisation, alles top. Sie, sportlich ambitioniert, nutzt den Zug zudem zur Steigerung ihrer Fitness, der Kleine durfte sofort bei Cheffe Stephan Sprey auf der ersten Kutsche die Zügel mal halten. Was ein Erlebnis für ein Kindergartenkind. Nur ich zweifelte jetzt an dieser meiner Entscheidung, da mein 52-jähriger, mittelmäßig trainierter Körper nicht optimal auf die Herausforderung eingestellt zu sein schien. An der gestrigen ersten Etappe war ich nach einigen hundert Metern schon sichtlich überrascht ob des enormen Tempos.  Wenn Pferde Schritt laufen, ist das eigentlich zum gehen  zu schnell und fürs rennen zu langsam.  Für mich absolut ungewohnt und ich fühlte mich überrascht von der enormen körperlichen Herausforderung, zudem kamen noch „angenehme“ 33 Grad, was gewaltig an meiner Kondition nagte. Meine Vorschläge beim Furhrmann Heinz St., doch ab und zu mal stehen zu bleiben, um die Landschaft zu genießen, wurden lachend zur Seite gewischt. Nach 2 Std. und 4 Liter Wasseraufnahme, sah ich ein, dieses bestehende und funktionierende System nicht verändern zu können. Es hat natürlich seinen Grund: Pferde brauchen ihren Trott. Ständiges Stehenbleiben macht sie unruhig und das möchte man vermeiden. Schließlich will mal ja auch ankommen irgendwann. Heute am 2. Tag ging es von Gut Schwaighof um 9.30 Uhr los. Erste Ortschaften waren Druisheim, wo alle Einwohner offensichtlich grade in der Kirche waren. Hier in Schwaben wurde erst heute Fronleichnam gefeiert. Aber es war wunderschön geschmückt, so wie wir Seligenstädter das kennen und gewohnt sind. Weiter über den Hügel mit Blick über das Donautal und schon ganz in der Ferne Donauwörth, wo wir die hier schon mächtige Donau überquert haben. Eine  eindrucksvolle und sehr gepflegte Stadt. In Mertingen eine heiß  gelaufenen Achse, die  uns dann allen doch mal zu einer ca. 20 minütigen Pause verhalf. Mittlerweile, und das nebenbei, war ich, durch den gestrigen Tag, aber auch schon mehr eingestellt, und wusste heute zumindest, was mich erwartet. Meine Kondition war schon besser, und ich hatte den  Eindruck, dass das mit mir durchaus noch was werden kann. In Ebermergen, um 14.15 Uhr und nach schlappen 23 km, dann die erhoffte Mittagsrast, wo unser Küchenteam leckere Köstlichkeiten für uns vorbereitet hatte. Weiter ging es um 15.45 Uhr. Nach Auskunft von Stephan Sprey „noch e gud halb Stund“ und ca. 5 km, woraus dann doch gefühlte 10 km wurden. Ankunft an der Burg Harburg gegen 17.30 Uhr. Hier wurden wir, und das lässt jedes Herz höher schlagen, mit  Blasmusik der Stadtkapelle Harburg empfangen. Das sind Momente, wo man dem Himmel ganz nah zu sein scheint. Die Burg Harburg ist nebenbei die größte und best erhaltene Burganlage in Süddeutschland. Zudem ist sie mit dem Baujahr 1150 eine der ältesten.  Sie gehört heute einer Stiftung. Ein toller Empfang durch die Offiziellen und ein schöner und gebührender Platz, um hier eine Nacht zu verbringen. Harburg selbst ist wahrscheinlich das kleinste Städtchen Süddeutschlands mit gerade mal 2500 Einwohnen in der Kerngemeinde, mit 10 Eingemeindungen und gesamt 5500 Ew, allerdings mit über 60 Vereinen. Auch hier sieht man Parallelen  zu Seligenstadt.  Noch ein Wort zu Organisation und Support. Diese zwei Dinge kann man hier gar nicht beschreiben. Schon gar nicht in einem Tagesbericht. Ich sag nur „unglaublich“. Morgens und abends greifen hier Zahnräder ineinander und die Maschinerie läuft. Bin sehr beeindruckt und jeder, der sich in irgendeiner Form ehrenamtlich engagiert, weiß oder kann erahnen, was hier geleistet wird.  Vom unserer Seite als Teilnehmer, können wir nur den Hut ziehen, Danke sagen, und versuchen, zu unterstützen und zu helfen. Wir freuen uns auf die nächsten Tage und finden es schon jetzt schade, nur eine Woche dabei zu sein.

von Norbert Zabolitzki

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